Bundesverfassungsgericht entscheidet über Rechtsschutz im Organspendeverfahren

In einem sog. Nichtannahmebeschluss hat sich das Bundesverfassungsgericht zu den bisher unklaren Rechtsschutzmöglichkeiten im Organspendeverfahren geäußert (BVerfG, Beschluss vom 6. Juli 2016, Az.: 1 BvR 1705/15).

 

Der Entscheidung lag ein Fall aus dem Universitätsklinikum München zugrunde, in der eine Frau, die auf eine Spenderniere wartete, vom behandelnden Arzt nach einer als Drohung aufgefassten E-Mail des Ehemannes als "nicht transplantabel" auf der Warteliste eingestuft und entsprechend an die Vermittlungsstelle Eurotransplant gemeldet wurde. Die Klage der Frau gegen die Meldung vor dem Verwaltungsgericht München hatte keinen Erfolg, da die Frau zwischenzeitlich in einem anderen Transplantationszentrum eine Spenderniere erhalten hatte und das Gericht somit das erforderliche Interesse an der nachträglichen Feststellung der Rechtswidrigkeit der Meldung als nicht gegeben sah. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wurde vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zurückgewiesen. Daraufhin erhob die Frau Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht wegen Verletzung ihrer Grundrechte auf persönliche Unversehrtheit und einen möglichst lückenlosen Rechtsschutz.

 

Das Bundesverfassungsgericht hat die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen, da einerseits eine Verletzung der persönlichen Unversehrtheit schon nicht konkret dargelegt war und es andererseits wegen der zwischenzeitlich erfolgten Transplantation auch kein Fortsetzungsfeststellungsinteresse der Frau mehr feststellen konnte. Denn das Grundrecht auf einen möglichst umfassenden Rechtsschutz bestehe nur bei einem hinreichenden Rechtsschutzbedürfnis. Dies sei vorliegend nicht der Fall, da nicht erkennbar ist, dass gegen die angegriffene Maßnahme im hier verfügbaren Zeitraum kein wirksamer Rechtsschutz zu erlangen war. Vielmehr hätten effektive Rechtsschutzmöglichkeiten im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes bestanden, die jedoch nicht ergriffen wurden. Auch wenn bisher die Frage der Zuständigkeit der Gerichte zu Fragen des  Transplantationsgesetzes nicht geklärt ist, könnten die Gerichte zur Gewährung des effektiven Rechtsschutzes durch eigenen Zuständigkeitserklärung oder verbindliche Verweisung über die  Rechtswegzuständigkeit notfalls im Rahmen des Eilrechtsschutzes entscheiden. Es sei nicht ersichtlich, warum dies hier nicht hätte erfolgen können. Daher wurde die Verfassungsbeschwerde mangels grundsätzlicher Bedeutung und wegen anderweitiger Rechtsschutzmöglichkeiten vom BVerfG nicht zur Entscheidung angenommen.

 

Der Nichtannahmebeschluss des BVerfG ist zwar enttäuschend für die Beschwerdeführerin. Er enthält jedoch auch einige aufschlussreiche Aussagen zum Organspenderecht, zu dem es nach wie vor an gerichtlichen Entscheidungen mangelt. Die interessanten Aussagen sind:

  • Ob die Meldung an Eurotransplant einen - hoheitlichen - Verwaltungsakt darstellt, wie es die Untergerichte angenommen haben, kann offen bleiben. Damit relativiert das BVerfG die Einschätzung der Untergerichte zum Vorliegen einer hoheitlichen Maßnahme wieder etwas und es erscheint unsicher, ob tatsächlich ein Verwaltungsakt vorliegt. Es sprechen denn die besseren Gründe dafür, will man den Rechtsschutz im TPG ernst nehmen.
  • Mit erfolgter Transplantation entfällt ein gegebenenfalls vorher bestehendes Feststellungsinteresse an der Rechtswidrigkeit von bisherigen Verwaltungsakten im Rahmen der Wartelistenführung und Meldung an Eurotransplant.
  • Gerichte müssen im Organspendeverfahren gegebenfalls im Wege des Eilrechtsschutzes entscheiden. Eine Rechtsschutzlücke darf es nicht geben.
  • Gerichte können sich auch im Organspendeverfahren für zuständig erklären oder verbindliche Verweisungen zur Zuständigkeit aussprechen.