Krankenkassen verstoßen gegen Kostenabgrenzungs-Richtlinien


Die sog. Kostenabgrenzungs-Richtlinien des GKV-Spitzenverbandes sollen die bisherige - durch das Bundessozialgericht im Jahr 2010 festgelegte - Kostenaufteilung zwischen Krankenkasse und Pflegekasse auch nach der Einführung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs ab 1.1.2017 weiter erhalten. Denn seit 1.1.2017 werden durch die MDK-Gutachter bei der Pflegebegutachtung keine Minuten für Grundpflege und Hauswirtschaft mehr erhoben, sondern nur noch der Grad der Selbständigkeit bzw. entsprechende Einschränkungen.

 

Die nach § 17 Abs. 1b SGB V erlassenen Richtlinien legen dabei pauschale Minutenwerte ab Pflegegrad 2 fest. Sie gestalten sich wie folgt:

 

Pflegegrad 2: Pauschal 37 Minuten

Pflegegrad 3: Pauschal 76 Minuten

Pflegegrad 4: Pauschal 104 Minuten

Pflegegrad 5: Pauschal 141 Minuten

 

Diese Minutenwerte sind dann vom täglich 24-stündigen  Anspruch auf spezielle Krankenbeobachtung im Rahmen der häuslichen Krankenpflege nach § 37 Abs. 2 SGB V abzuziehen und von der Pflegekasse zu tragen und nicht von der Krankenkasse.

 

Zum Beispiel: Ein beatmungspflichtiger Versicherter mit Pflegestufe 4 benötigt rund um die Uhr (24 Stunden täglich) spezielle Krankenbeobachtung nach Nr. 24 der HKP-Richtlinie. Dann werden davon 104 Minuten (1 Stunde 34 Minuten) täglich abgezogen. Sein Anspruch gegen die Krankenkasse beläuft sich auf 22 Stunden und 26 Minuten Behandlungspflege in Form der speziellen Krankenbeobachtung. Den Rest trägt die Pflegeversicherung bzw. der Versicherte selbst für den verbleibenden Eigenanteil.

 

Das Problem: Einige Krankenkassen versuchen, die pauschale Festlegung der Minutenwerte dadurch zu ihren Gunsten zu ändern, indem sie zusätzliche Abzüge für Hauswirtschaftszeiten berechnen. Hierfür setzen sie dann typischerweise zusätzlich 60 Minuten täglich an, die nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts hälftig anzurechnen seien. Somit ziehen sie weitere 30 Minuten täglich für die Hauswirtschaft ab. Dass dies schnell erhebliche Abzüge vom Anspruch gegen die Krankenkasse bedeutet (im Monat 15 Stunden), die SGB V-Vergütung des Pflegedienstes folglich erheblich mindert und somit den Eigenanteil des Versicherten ansteigen lässt, liegt auf der Hand.

 

Aus rechtlicher Sicht bewegen sich die Krankenkassen dabei auf sehr dünnem Eis und könnten gegen die pauschale Festlegung der Minutenwerte gemäß der Kostenabgrenzungs-Richtlinie verstoßen. Denn dort ist keine Rede von einem weiteren Abzug für die Hauswirtschaftszeiten, obwohl dem Gesetzgeber und dem GKV als Richtliniengeber bekannt war, dass Hauswirtschaftsanteile häufig ebenfalls erbracht werden. Zudem werden Hauswirtschaftsleistungen insbesondere bei der 1:1-Betreuung zuhause nicht vom Pflegedienst, sondern von Angehörigen erbracht. Dort verbittet sich ein Abzug per se. Letztlich wird hierüber noch die Rechtsprechung zu entscheiden haben. Klagen gegen solche zusätzlichen Abzüge der Krankenkasse könnten hier durchaus erfolgreich sein.

 

Offen ist zudem, wie nach der Kostenabgrenzungs-Richtlinie mit Fällen umzugehen ist, in denen weniger als 24 Stunden spezielle Krankenbeobachtung erforderlich ist (z.B. nur nachts). Denn dort sind auch keine pauschalen Abzüge oder jedenfalls nur geringere Abzüge berechtigt, weil für sie die Richtlinie wohl nicht gilt. Aber auch dies ist noch nicht entschieden.