Aufgepasst beim Verkauf: Kein Bereicherungsanspruch nach nicht bewiesener Übernahme eines Pflegedienstes

Wie der Verkauf eines ambulanten Pflegedienstes gründlich schief gehen und der komplette Patienten- und Mitarbeiterstamm verloren gehen kann, zeigt ein Fall aus Hamburg.

 

Das dortige Landgericht hat in einem Urteil vom 09.08.2019 (Az.: 305 O 48/18) entschieden, dass der Betreibergesellschaft eines aufgelösten ambulanten Pflegedienstes kein bereicherungsrechtlicher Zahlungsanspruch gegen eine ehemalige Mitarbeiterin in Höhe von 150.000 € zusteht, nachdem diese nach einem angeblichen Verkauf von diesem etliche Patienten übernommen hatte. Dabei wechselte die beklagte Ex-Mitarbeiterin mit den Patienten zunächst zu einem Nachfolge-Pflegedienst und sodann erneut zu einem anderen Pflegedienst, den sie heute selbst betreibt. Die Betreibergesellschaft des ursprünglichen Pflegedienstes behauptete, dass mit der Ex-Mitarbeiterin im Rahmen eines Gespräches in einem Café im Mai 2014 ein Kaufpreis von 250.000 € vereinbart worden sei. Der Verkauf sei aber nach Problemen mit den Pflegekassen im August 2014 dahingehend abgeändert worden, dass nur der Patientenstamm und die Arbeitsverhältnisse der Pflegekräfte zu einem anderen zugelassenen Pflegedienst, bei dem die Ex-Mitarbeiterin tätig wurde, übertragen werden sollten. Die Versorgungsverträge des Pflegedienstes mit den Pflegekassen wurden gekündigt und der Betrieb zu Ende September 2014 eingestellt. Die Beklagte hätte dann Zahlungsbereitschaft vorgespielt und so sei die klagende Betreibergesellschaft zur Übertragung ihres eigenen Patientenstammes und Umschreibung der Pflegeverträge auf den neuen Pflegedienstes veranlasst worden. Die beklagte Ex-Mitarbeiterin hat dagegen das Zustandekommen eines Kaufvertrages bestritten. Vielmehr sei es bei den Gesprächen lediglich darum gegangen, die versorgten Patienten nach Einstellung des Betriebs bei einem neuen Pflegedienst weiter zu versorgen. Eingeklagt wurden dann statt der 250.000 € nur 150.000 €, da dies dem möglichen Verkaufswert anhand des dreifachen durchschnittlichen Jahresumsatz entspreche. 

 

Das Landgericht Hamburg hat die Klage abgewiesen, da die Klägerin eine Einigung über den Verkauf des Pflegedienstes nicht schlüssig dargelegt hätte. Denn einerseits wurde der Verkauf des gesamten Pflegedienstes im Mai 2014 an die Ex-Mitarbeiterin wegen der Probleme mit den Pflegekasse nicht weiter verfolgt und anderseits gab es danach keine neue Einigung über den Verkauf der Patientenstruktur. Damit fehle es an den wesentlichen Voraussetzungen eines Kaufvertragsabschlusses.

 

Auch stand der Klägerin nach Auffassung des Landgericht Hamburg hier kein bereicherungsrechtlichen Rückgriffsanspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1, Alt. 2 BGB zu, der sich aus dem Eingriff  eines der Ex-Mitarbeiterin in den Zuweisungsgehalt eines Rechtsguts, dessen wirtschaftliche Verwertung der klagenden Betreibergesellschaft vorbehalten ist. Denn spätestens Ende September 2014 hätte mit der Betriebseinstellung gar keine geschützte Rechtsposition mehr vorgelegen. Die Betriebseinstellung erfolgte wegen der Probleme mit den Pflegekassen und nicht in Erwartung des Verkaufs. Der Neuabschluss von Pflegeverträgen mit dem neuen Arbeitgeber der beklagten Ex-Mitarbeiterin erfolgte, weil die Patienten ansonsten ohne pflegerische Versorgung geblieben wären. Die bloße Kenntnis und Kontaktmöglichkeit der Ex-Mitarbeiterin zu den einzelnen Patienten führt zu keinem Eingriff in eine Rechtsposition der alten Betreibergesellschaft. Auch werde die Einzelübertragung von Patienten außerhalb des Unternehmenskaufs am Markt nicht praktiziert, da umfangreiche vertragliche und strafrechtliche Probleme bestünden (insb. §§ 299a, 299b StGB). Auch die Höhe der Klageforderung von 150.000 € sei nicht schlüssig, weil bei einem bereicherungsrechtlichen Anspruch der von der Beklagten gezogene Nutzen dargelegt werden müsse und dies hier nicht erfolgt sei.

 

 

Der Fall demonstriert anschaulich, dass der Verkauf von Pflegeeinrichtungen bzw. Pflegediensten gut geplant und ausgeführt sein sollte. Auf das gesprochene Wort und Verkaufsgespräche in Rahmen von zwanglosen Café-Treffen sollte man sich angesichts der erheblichen Konsequenzen und potentiellen Streitwerte nicht verlassen, sondern das Vorgehen sorgfältig planen und ausführen, möglichst unter Zuhilfenahme von anwaltlicher Beratung. Ansonsten kann es schnell passieren, dass der Patientenstamm und die Mitarbeiter fort sind, ohne dass man einen Euro des Verkaufspreises gesehen hat.

 

Die Berufung gegen dieses Urteil wurde beim OLG Hamburg eingelegt.